Aus der Sammlung Kurt Tauber



Vom „DDR-Disney“ zum Plecher Museumsmacher

Andreas Pietrucha aus Hof: „Teddy“-Fotograf und Fabrikantensohn in Dresden, erfolgreicher gesamtdeutscher Fotohändler, ehrenamtlicher Museumsmitarbeiter - Eine deutsche Biografie


Der Fotograf und Designer der DDR-weit bekannten und beliebten Teddy-Diaserien, der gebürtige Dresdner und heutige Wahl-Hofer Andreas Pietrucha, vor der neuen MIKROLUX-Vitrine im Deutschen Kameramuseum in Plech. Foto: Kurt Tauber/Deutsches Kameramuseum


22. Oktober 2019


Plech/Hof/Dresden. Die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten 1989 - also vor 30 Jahren - schrieb auch im rein Privaten Geschichten, die auch heute noch unglaublich erscheinende Biografien hervorbrachten. Wenn der gebürtige Dresdner Fotograf und heutige Wahl-Hofer Rentner Andreas Pietrucha (72) von seinen Teddybären und Karl May, der Wartburg und dem Deutschen Kameramuseum in Plech zu erzählen beginnt, wird es keine Sekunde langweilig.


Der bekannte einstige DDR-Starfotograf und -Fotodesigner (der lange exklusive für die Wartburg und das Radebeuler Karl-May-Museum arbeitete) wurde im Nachkriegsdeutschland des Jahres 1947 als Sohn des Maschinenbauingenieurs und Unternehmers Bernhard Pietrucha in Dresden geboren. 1947 war auch das Gründungsjahr der Firma „MIKROLUX Feinmechanik und optischer Gerätebau“. 1953 gründete Bernhard Pietrucha, als ergänzendes Standbein, das MIKROLUX Color-Labor - Produktionsort und Wiege der nach eigenem patentierten Herstellungsverfahren hergestellten Verfilmung figürlich gestalteter Bärengeschichten, damals bei den Kindern in der DDR so bekannt wie im Westen Mickey Mouse, Donald Duck & Co. Die Presse nannte ihn vor kurzem nach einer entsprechenden ZDF-Dokumentation in der Reihe „Das war dann mal weg“ nicht umsonst den „Disney der DDR“, weil er mit seinen Teddy-Geschichten Millionen Kinder begeisterte und unterhielt.

Jedes Kind in der DDR kannte in den 1950er bis 1970er Jahren die Abenteuer der Teddyfamilie, die von der Dresdner Firma MIKROLUX auf Bildbändern in großer Stückzahl vertrieben wurden. Foto: Andreas Pietrucha


Diese Bildgestaltungen sind außer vom Firmengründer und seinem Sohn Andreas unter Mitarbeit namhafter Freiberufler und Künstler entstanden: der Maler Hermann Kohlmann, die Regisseure und Kameraleute Heinz Busch und Wolfgang Schiebel, um nur einige zu nennen, arbeiteten für die Teddy-Diaserien (nachzulesen in dem Buch „Im Schatten der DEFA“).

Die MIKROLUX war – gesamtdeutsch - einer der ersten Nachkriegshersteller von Projektoren, Reprogeräten, Mikroskopen und Stereo-Bildbetrachtern. Als privater Aussteller auf der ersten Leipziger Messe nach dem Krieg bekam die Produktqualität der Firma MIKROLUX große Aufmerksamkeit.


Die Erzeugnisse der Firma MIKROLUX begeisterten bis zum Mauerbau 1961 viele Fachleute und Konsumenten in Ost und West. Dia-Bildstreifen von Mittenwald fanden beispielsweise auch im dortigen örtlichen Souvenirhandel und bei Liebhabern der Alpenlandschaften in Ost und West reichlich Abnehmer.

1971/72 wurde die Firma MIKROLUX in Dresden durch die Staatsmacht der DDR eineignet. Viele mittlere Betriebe waren damals leidvoll davon betroffen. Der Gründer und Senior wechselte in den Ruhestand, Sohn Andreas blieb noch zwei Jahre an der Unternehmensspitze und zog dann, mehr aus Frust denn aus Lust, als Freiberufler nach Neustadt an der Orla (Thüringen) nahe der innerdeutschen Grenze, wo er seine Lebensgefährtin und heutige Ehefrau Anita kennenlernte.

Die MIKROLUX, oder was davon geblieben war, wurde der DEWAG Dresden und später der DEFA angegliedert. Andreas Pietrucha wurde als Freiberufler aufgrund seiner fotografischen, kreativen und künstlerischen Leistungen, in Thüringen und darüber hinaus sehr erfolgreich. Mit Arbeiten beispielsweise für die Wartburg-Stiftung, die Karl-May-Stiftung Radebeul, den Expertic-Warenzeichenverband Kunsthandwerk der DDR, für Bildstellen der Kirchen oder durch die Industrie- und Werbefotografie für Produkte des NSW, erlangte er breite Anerkennung. Als Händler von Photographica in drei seiner Ladengeschäfte gaben sich Kamerasammler aus Ost und West die Klinke in die Hand.

1989 kam die ersehnte politische Wende, wieder ein Wendepunkt im seinem bewegten Leben. Noch während Günter Schabowski den Zettel zur sofortigen Reiseerlaubnis aus der DDR verlass, fuhr Pietrucha mit Ehefrau in seinem geliebten Volvo die 50 Kilometer zur Grenze nach Rudolphstein in Richtung Hof. Dort gab er seinen Personalausweis ab und meldete bei seiner Verwandtschaft in Hof seinen Hauptwohnsitz an – man konnte ja nie wissen, wie lange die Grenzöffnung bestehen würde.

Zu Ehren der Firma MIKROLUX und der Inhaberfamilie wurde im Deutschen Kameramuseum in Plech eine eigene MIKROLUX-Vitrine gestaltet und diese Exponate setzen jetzt als ständige Erinnerung in der dortigen Ausstellung einen wichtigen Akzent in der Präsentation der Kameras und Projektoren aus der früheren DDR.

Im Jahr 2002 musste Andreas Pietrucha aus gesundheitlichen Gründen seine Unternehmen aufgeben. Ganze zehn Jahre mussten bis zur spürbaren zurück erlangten Gesundheit vergehen. Pietrucha, seit 2006 Rentner, ist heute noch als Sponsor des Deutschen Kameramuseums aktiv und seit 2012 als ehrenamtlicher Museumsmitarbeiter für die Bewertungen alter Fototechnik im Plecher Museum tätig.


Aus ganz Deutschland kommen Sammler und Erben zu Pietruchas beliebten Schätzsonntagen (jeden ersten und dritten Sonntag eines Monats, jeweils von 11 bis 16 Uhr) ins Deutsche Kameramuseum.

Die ganze, außergewöhnliche, turbulente und lesenswerte Lebensgeschichte von Andreas Pietrucha und seiner MIKROLUX kann man hier nachlesen.


Seit Herbst 2019 zeigt eine eigene Ausstellungsvitrine die Produkte der Dresdener Firma MIKROLUX. Das Deutsche Kamera-Museum in Plech besitzt den einzigen Plastomat-Prototypen (rechts unten). Foto: Tauber


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