PLECH
– Die feuerrote Straßenkamera (Bild links), mit der Jahrzehnte
lang in der Türkei für Touristen schwarzweiße „Sofortbilder“
hergestellt wurden, gehört zu den größten Attraktionen im
Deutschen Kameramuseum in Plech.
Am
Sonntag, 4. Oktober 2020, konnten sich Besucher von 11 bis 17 Uhr
gegen eine Spende selbst mit so einer „Cámara Minutera“
porträtieren lassen, als der bekannte Fotograf Marc Kairies
(47) mit seinen Gerätschaften zu Gast war.
Vor gut zwei Jahren beschenke sich Kairies zu seinem Geburtstag
selbst mit einer Cámara Minutera und reist seitdem mit seiner
Ausrüstung quer durch Deutschland. Das „Cámara Minutera-Projekt“ war geboren.
Die analoge Sofortbildfotografie ist dank vieler neuer
Kameramodelle, Filme und kreativer Features trendiger denn je
zuvor. Schon vor Erfindung der uns heute bekannten
Sofortbildfotografie vor etwa 70 Jahren haben Fotografen eine
Kamera benutzt, mit der sie ein Porträt fotografierten und
gleich vor Ort entwickelten: die Cámara Minutera.
Eine Kamera mit integriertem Labor, die es ermöglicht, binnen
Minuten ein fertiges Foto zu fertigen. Zuerst
wird ein Negativ erstellt, von dem vor Ort - durch mehrmaliges
Abfotografieren des Negativs - beliebig viele
Positive (Abzüge) gefertigt werden können. Sie ist sozusagen der
Ursprung der Idee, das fertige Bild dem Fotografierten „sofort“
aushändigen zu können!
Schon Ende des 19. Jahrhunderts standen Fotografen mit ihren
Kameras an belebten Plätzen oder in Parks und boten Bilder zur
sofortigen Mitnahme an – die Technik nennt man Tintype oder
Ferrotype. In den Zehner- und Zwanzigerjahren des letzten
Jahrhunderts boten kleine Kameramanufakturen Kameras an und
versprachen den Fotografen ein Arbeitswerkzeug, mit dem sie
schnell gutes Geld verdienen konnten. Es gab das Direktverfahren
ohne Negativ – das aufkommende Fotopapier machte die Produktion
sehr günstig.
Viele Kameras wurden selbst gebaut und immer wieder modifiziert
und verbessert. Überall auf der Welt entdeckte man Fotografen
mit ihren fantastischen Fotoboxen.
Spannend
beim Cámara-Minutera-Projekt ist es, dass ein Bogen von den
Anfängen der Fotografie zur heutigen modernen Technik gespannt
wird. Entschleunigung wird erfahrbar, bewusste Bildgestaltung
und Entstehung des Bildes werden gezeigt und dabei ökologisch
und umweltbewusst gehandelt.
Unterstützt von zahlreichen Freunden und Partnern aus der
Fotoindustrie ist es möglich, die Cámara Minutera bei Fotomessen
& Kulturveranstaltungen in ganz Deutschland erlebbar zu machen
und die Besucher in schwarz-weiß zu porträtieren.
Die Liste seiner Fotoshootings in den zwei Jahren ist lang und
enthält viele klangvolle Namen der Locations: Oberstdorfer
Fotogipfel, Umweltfotofestival Horizonte Zingst, aj MeetUp@USEDOM,
Fotohaven Hamburg, Kultur im Park in Wiesbaden, fineartforum -
und seit Sonntag, 4. Oktober 2020, auch das Deutsche
Kameramuseum in Plech.
Begleitet und vor Ort unterstützt wurde Kairies, der in Rosengarten
südlich von Hamburg in der Lüneburger Heide lebt, unter anderem
von Marwan El-Mozayen und Andreas Waldeck, den beiden Chefs des „SilvergrainClassics
Magazins“ (ehemals „PhotoKlassik International“) sowie an der
Kamera von Ludwig Hagelstein, ebenfalls aus der Mannschaft des „SilvergrainClassics
Magazins“.
Der
Kieler Fotograf Erik Schlicksbier bannte Marc Kairies zusammen
mit seiner Cámara Minutera auf Nassplatte. Seither ist dieses
Foto - abstrahiert - das bekannte Markenzeichen von Kairies. Extra dafür
wurde von der Hamburger Hutdesignerin Marie Josephine Bouquet
eine Melone entworfen: eine Hommage an alle Fotografen, die
ihren Hut vor das Objektiv schwenkten und damit die Belichtung
steuerten.
Schon zu Beginn
dieser Veranstaltung standen die Besucher des Deutschen
Kameramuseums in Plech sozusagen Schlange, um sich von Marc
Kairies und Ludwig Hagelstein mit der Cámara Minutera in
Schwarzweiß ablichten zu lassen.
Nach wenigen Minuten hielten die Porträtierten erst ein Negativ
und bald darauf ein Positiv in ihren Händen. Kairies und
Hagelstein erläuterten der „Kundschaft“, die für dieses Erlebnis
einen selbst festgesetzten Obolus als Spende entrichteten,
bereitwillig den technischen Hintergrund dieser althergebrachten
Technik.
Marwan
El-Mozayen und Andreas Waldeck besuchten bei dieser Gelegenheit
erstmals das Deutsche Kameramuseum und hielten das gut
fünfstündige Event stilgerecht mit einer Super-8-Filmkamera auf
Kodak-Material, aber auch in vielen digitalen Aufnahmen fest.
Einer der prominentesten Porträtierten war der Geschäftsführer
der GOSSEN Foto- und Lichtmesstechnik GmbH Nürnberg, Klaus-Peter
Richter, der sich auch sehr für das Museum und natürlich die
Ausstellungsvitrine, die speziell den Gossen-Belichtungsmessern
gewidmet ist, interessierte. Die Veranstaltung war somit mehr
als nur ein „Trostpflaster“ für die Museumsfreunde, die in
diesem Jahr Corona-bedingt ganz auf die mittlerweile gut
eingeführte Plecher Foto- und Filmbörse verzichten musste.