PLECH - Erwartet haben wir vom Deutschen Kameramuseum an einem
Wochenende im Januar 2020 so um die 30 bis 50 seltene DDR-Diaprojektoren aus
Magdeburg als Großspende für das Museum in Plech. Das Ehepaar Engelhardt-Schäfer
beglückte uns dann aber mit einer Mega-Spende: ein Sprinter mit Hochdach, von
vorn bis hinten beladen mit Kartons und Originalkoffern mit Diaprojektoren und
anderen Photographica - schätzungsweise 200 Projektoren und mindestens genauso
viel Film- und Fotokameras, überwiegend aus DDR-Herstellung und Dresdner oder
Jenaer Vorkriegsproduktion.
Eine Wahnsinnsmenge, eine Wahnsinnsaufgabe für die nächsten Monate. Erst Anfang
2022 waren die letzten Kisten geöffnet, all diese Zugänge sortiert und in die
Bestandsliste aufgenommen.
Riesige
Privatsammlung
Die Neuzugänge, die die Bestände aus DDR-Produktion auffüllten, stammen aus der
riesigen Sammlung von Bernd Alfred Engelhardt aus Stapelburg. Er wurde 1951 in
Beichlingen (Thüringen) geboren und zog mit seinen Eltern im Kindesalter nach
Stapelburg ins heutige Sachsen-Anhalt, wo er bis zu seinem Tode lebte. Hier
besuchte er die Polytechnische Oberschule und erlernte danach den Beruf eines
Malers. 1970 heiratete er eine Kindergärtnerin aus Stapelburg und bekam mit ihr
zwei Töchter, geboren 1969 und 1973, Ivonne und Anja.
Dunkelkammer
im Keller
Kurz danach begann er die ersten Kameras zu sammeln. Es waren zunächst Exas aus
der DDR. Regale wurden gebaut und im Keller entstand eine Dunkelkammer.
Vorrangig sammelte er in dieser Zeit Fotoapparate, restaurierte und archivierte
sie. Mit einer tschechischen Schmalfilmkamera begann er in den 1980er Jahren
seine Urlaubserlebnisse mit der Familie zu filmen.
1986 nahm er an einem Amateurfilmwettbewerb in Magdeburg mit einem
selbstgedrehten Trickfilm teil sowie einem Film über ein Schlachtfest in
Stapelburg. Alle Bilder für den Trickfilm zeichnete er selbst und untermalte
diesen auch mit einer Tonsequenz. Für beide Filme bekam er Urkunden und einen
Sonderpreis.
Nach der Wende 1989 sammelte er eifrig Diaprojektoren und Kameras, besuchte das
Kameramuseum in Dresden und hatte zu diesem Zeitpunkt schon mehr Geräte zu Hause
als dort ausgestellt standen. Er beschäftigte sich auch viel mit Dias und kaufte
alles, was angeboten wurde.
Eigenes
Museum
Im neugebauten Haus bekamen Mitte der 1990er Jahre die Projektoren und die
Zubehörteile gesonderte Räume und Engelhardt richtete sich auch hier eine
Profiwerkstatt ein, um Reparaturen durchzuführen. Er kaufte viel im Internet und
auf Flohmärkten und stand auch selbst mit der ganzen Familie mit seinen Doppelt-
und Dreifachausführungen der Geräte als Verkäufer auf diesen Märkten. Das
Fotografieren und Filmen rückte immer mehr in den Hintergrund. Das Sammeln war
seine ganze Leidenschaft: Es war ein kleines Museum entstanden.
Im Juli 2015 starb Bernd Engelhardt plötzlich und hinterließ seiner Ehefrau und
seinen Kindern etwa 500 Kameras, 300 Diaprojektoren, 100 Filmvorführgeräte,
Klein- und Großkinogeräte, Plattenkameras, einen Raum voller Ersatzteile sowie
kaum zählbare Dias.
2017 bis 2019 bemühte man sich, die gesamte Sammlung an bekannte Händler, an
Museen in Dresden und Berlin abzugeben. Sogar eine Bewerbung beim Fernsehen für
den „Trödeltrupp“ wurde abgegeben. Alle Bemühungen waren erfolglos. So wurden
nach und nach die wertvollsten und wichtigsten Stücke verkauft, die Sammlung als
Gesamtwerk war damit allerdings zerstört.
"Erbe
hier gut aufgehoben"
Im Januar 2020 fuhr ein Mercedes Sprinter mit Hochdach, gefüllt bis unter die
Decke mit insgesamt über zwei Tonnen Gerätschaften von Stapelburg in
Sachsen-Anhalt 367 Kilometer nach Plech zum Deutschen Kameramuseum. Hier
angekommen, zweifelte die jüngste Tochter von Bernd Engelhardt immer noch, ob
das, was sie hier im Auftrag der ganzen Familie machte, tatsächlich im Sinne
Ihres Vaters gewesen wäre: nämlich all diese Sammlerstücke zu spenden. Doch als
sie beim Ausladen und Sichten der Projektoren das Staunen und Raunen und die
Freude der Museumsbetreiber sah, war sich Anja Engelhardt-Schäfer sicher: „Hier wird das Erbe von
Bernd Engelhardt gut aufgehoben sein“.
Die Hälfte der angelieferten Projektoren wurde gleich im Museum verstaut, die
andere Hälfte und Hunderte von Foto- und Filmkameras fand in der 300 Meter
entfernten Garage von Museumsleiter Kurt Tauber - Bild oben - eine vorläufige Bleibe bis die
Neuzugänge nach und nach ins Museum geschafft, sortiert, katalogisiert,
fotografiert und in die Sammlung integriert werden konnten.
Bestände
endlich aufgelistet
Das war eine Arbeit von insgesamt über einem Jahr, wobei Wolfgang Schanderl aus
Nürnberg, einer der engagierten Aktiven im Förderverein Deutsches Kameramuseum,
Sonntag um Sonntag und viele Wochen Urlaub im Museum zubrachte, um mit Freunden
und Kollegen den Gesamtbestand der Dia- und Filmprojektoren aus drei Depots im
Museum zu sichten, zu sortieren und „erkennungsdienstlich zu behandeln“. Heraus
kam die erste verlässliche Übersicht über die Bestände auf diesem Sammelgebiet:
eine Fleißarbeit mit fein säuberlich aufgelisteten, sorgfältig beschriebenen und
fotografierten Exponaten - über 800 (!) verschiedene Diaprojektoren und Laternae
Magicae.
Wenn die gegenwärtig im Hintergrund laufende Neugestaltung des Internetauftritts
„Deutsches Kameramuseum“ abgeschlossen sein wird, dann kann
man alle diese Schätze auf der Homepage auch recherchieren - mit allen
technischen Daten und vielen Fotos.